Bereits 10 Tage vor dem Rennen haben wir uns mit einem Teammitglied auf den Weg zum neuen
Kontinent gemacht. Nach 3 Tagen Nähe Oceanside und 3 Tagen in der Wüste von Borrego Springs, bei
51°C im Schatten, zur Akklimatisation, ging es zum Treffen mit dem Team endgültig ins Startareal.
In diesen Tagen haben wir eigentlich nur leicht trainiert, um uns an das Klima und die Umgebung zu
gewöhnen. Nachdem wir den Solo-Start verfolgt hatten, empfingen wir unser komplettes Team.
Unser Betreuerteam bestand aus 11 Mann, je zwei 4er-Teams (Fahrer PaceCar, Fahrer Wohnmobil,
Betreuer Athleten + Wohnmobil Navigation, Team-Chef + Navigation PaceCAr), ein Springer und das
Medien-Car mit Fotograf und Medienbetreuer.
Ultra-Cycling ist Teamsport: 30 % Vorbereitung, welche ich zu 80 % übernommen habe, 30 % Team
(ein Ausfall, Fehler führt zu einem DNF) und 40 % Athleten. Die letzten Tage bis zum Rennen waren
dann mit Terminen und Tätigkeiten (Bekleben, Abnehmen, Besprechungen,…) ziemlich ausgebucht.
Die Vorbereitung ist bei so einem Rennen die halbe Miete und ich glaube wir hätten nicht besser
vorbereitet das Rennen in Angriff nehmen können. Es wurde nichts vergessen, alles gebucht und fast
alles durchgedacht und durchbesprochen. Wir haben alles korrekt abgewickelt und sind zum Glück
ohne Zeitstrafe ins Rennen gestartet.
Am Samstag, dem 14.Juni um 12:12 Uhr ging es dann los. Wir haben das ganze Rennen einen
Rhythmus von etwas unter 2 Stunden aktives Fahren und etwas unter 2 Stunden Pause
durchgezogen. Bei dieser Distanz kann man noch oberhalb des Grundlagentempos fahren und es geht
nicht so schnell an die Substanz. Auch die geplante flüssige Ernährung wurde fast vollständig
umgesetzt und hat super funktioniert.
Wir sind recht frech ins Rennen gestartet und haben eine hohe Pace vorgelegt. Durch die heißen
Gebiete in California kamen wir erst am Abend des ersten Tages und haben diese in der Nacht
durchfahren. Der Rhythmus wurde von uns schnell aufgenommen und so kam der Zug gut ins Rollen.
Unser Betreuerteam hat auch sehr schnell eine Routine in den Tätigkeiten bekommen und fehlerfrei
agiert. Nach den hügeligen Dünengebieten ging es schon in Richtung Rocky Moutains. Auf 3600
Meter spürt man erst, wenn man einen Schluck trinkt, dass danach ein kleiner Sauerstoffmangel
herrscht und man 1-2 extra Luftschnapper braucht. Vor allem das Gebiet nach dem Wolfs-Creek-Pass
(höchster Punkt des Rennens 3600 Meter) hat sehr an Alpenpässe erinnert. Nur sind hier die Anstiege
länger, dafür aber auch flacher. Oben herrschten Temperaturen von etwas über null Grad und auf den
Abfahrten wurde es schon recht frisch. Ohne Probleme oder ungeplanten Stopps ging es dann bergab
Richtung „Great Plains“. Dort herrscht zwar immer starker Seitenwind, aber wir Handbiker können
auch richtig Meter machen. Mandi und ich haben das auch getan und es ging mit 20 m/h voran.
Es ist schon komisch, wenn man 90 Meilen auf eine Kreuzung zufährt, dann einmal links, nach 1 Meile
einmal rechts fährt, und es dann wieder 100 Meilen gerade ausgeht.
Mittlerweile hatten sich die Körper schon an die Belastungen adaptiert und es ging problemlos
weiter. Nach dem Halfway-Point war es uns klar, dass uns niemand mehr vom Finish abhalten wird,
wir waren zu fokussiert und zu überzeugt.
Ab dem 5. Tag wurde es auch für das Team anstrengend und der eine oder andere kleine Fehler
schlich sich ein. Denn auch die Betreuer schlafen während des Rennens maximal 3 Stunden am Tag.
Nach einer kleinen Zwischenbesprechung während der Weiterfahrt, in der wir ein paar
Ungereimtheiten ausgesprochen haben, ging es mit neuer Motivation ins letzte Drittel. Nach der
Überfahrt über den Mississippi war klar, dass wir es unter 9 Tagen schaffen werden und jetzt noch
schauen konnten, was noch geht.
Gefährlich wurde es eigentlich nur auf den „Interstate Highways“. Wenn Lkw mit 120 km/h an einem
vorbeifahren, ist es nicht wirklich witzig und wenn dann zwischendurch 3 Lkw sich gegenseitig
überholen, haben unsere Betreuer im PaceCar fast einen Herzinfarkt bekommen.
Die bevorstehenden Appalachen würden uns aber nochmals alles abverlangen, hieß es immer, schließlich sind auf der zweiten Hälfte des Rennens mehr Höhenmeter zu bewältigen als am Beginn. Erstaunlicherweise konnte ich in den letzten 2,5 Tagen nochmal zulegen und annähernd Leistungswerte fahren, wie ich sie sonst bei Tagesrennen fahre. Mein Körper hatte sich soweit an die Belastung adaptiert, dass es einfach keinen weiteren Leistungsabfall mehr gab. Auch Manfred hat alles gegeben was er hatte und das Rennen super durchgezogen. Die Appalachen sind fast wie die Umgebung um unsere Heimat, grüne Hügel, grüne Hügel und nochmals grüne Hügel.
Während des ganzen Rennens hatten wir weder einen Reifenschaden an den Handbikes, noch ein
Problem an den 3 Fahrzeugen oder am Wohnmobil. Von dieser Seite aus hätte es nicht besser laufen
können, denn ein defektes Wohnmobil oder etwas anderes hätte schnell zu einem Supergau führen
können.
Auch das Wetter war unser Freund. Es hat in den 8 Tagen nur ca. 15 Stunden geregnet, Manfred
wurde doppelt so viel gewaschen wie ich, und wir sind ohne Sturm oder Tornado durch die USA
gekommen. Auch letztes Aufbäumen hat die 8-Tage-Marke nicht mehr in Sicht gebracht und so sind
wir in noch immer UNGLAUBLICHEN 8 Tagen 1 Stunde und 25 Minuten ins Ziel gekommen.
Im Ziel war ich zwar ausgelaugt, weil der Körper gemerkt hat, dass er abschalten kann, aber wenn es
2-3 Tage länger gedauert hätte, wäre ich auch sicher 2-3 Tage länger gefahren. Das Ergebnis ist
natürlich der Hammer und nur der Teamleistung zu verdanken. Aber ich bin nun mal
Leistungssportler und deswegen sage ich: Es geht noch schneller! Eine Stunde können wir noch bei
den Wechsel und Teamarbeit holen. Ich kann sicher auch noch einige Stunden schneller fahren.
Deswegen ist eine Zeit deutlich unter 8 Tagen sicherlich möglich.
ABER es müsste auch wieder alles zusammenpassen und problemlos ablaufen.
Laut meinen Betreuern habe ich während des Rennens ca. 9 – 11 Stunden geschlafen und Manfred
nicht viel mehr.
Auf was ich am meisten stolz bin:
Was Manfred zum Rennen meint und worauf er Stolz ist:
Es war mir eine Freude, das Rennen erleben zu dürfen. Trotzdem ist es das, was ich schon vorher
gesagt habe: ein Sportabenteuer.
Leistungssport findet wo anderes statt, dort wo Strecken definiert sind und man an die Grenzen
gehen kann, dort wo die Konkurrenz ist, dort ist auch die Musik.
Ob ich es nochmal machen würde!? Ja, aber nur mit kompromissloser Herangehensweise ohne Finisher-Gedanken, nur auf Leistung ausgelegt. Denn es geht immer mehr!